Wenn man an Ägypten denkt, dann denkt man an Pyramiden, Pharaonen und Sand. Viel Sand. Und viel Sonne. Doch Kühe verbindet man nicht automatisch mit Ägypten, obwohl sie dort eine sehr große Rolle spielten. Doch warum gerade die Kuh? Und warum hatte sie solch eine große Bedeutung?

Rein weltlich betrachtet hatten die Kühe eine große Bedeutung als Milchlieferant und Zugtier. Vor allem vor dem Pflug oder als Hilfe beim Getreide dreschen, erleichterten sie die Arbeit der Ägypter. In Ausnahmefällen wurde auch das Fleisch der Kühe gegessen, dabei wurden aber häufig männliche Tiere den Göttern geopfert und anschließend verzehrt.

Insgesamt wurde die Kuh als besonders fruchtbar und genügsam angesehen und stand unter anderem auch für Mutterliebe. Auch deswegen war die Kuh heilig: sie schenkte den Ägyptern Stiere. Stiere wurden aufgrund ihrer Kraft und ihres Mutes verehrt. Es entstanden an drei verschiedenen Orten drei Stierkulte. In Heliopolis wurde der Mnevis-Stier verehrt, in Memphis der Apis-Stier und in Thebis der Buchis-Stier. Aus diesen Stierkulten entstanden eigene Stierzuchtfarmen, die die Stiere auf ganz bestimmte Zeichnungen zu selektierten. Ein Apis-Stier, der als heiliges Tier in den Tempeln gehalten wurde, musste zum Beispiel einen weißen Stirnfleck in Form eines Dreiecks, einen hellen Sattelfleck und einen Zungenfleck aufweisen. Dieser Stier musste auf natürlichem Wege sterben. Es sei denn, er wurde älter als 25 Jahre, dann wurde er im Nil ertränkt, um seinen Platz an einen neuen Apis-Stier zu vergeben.

Wirklich spannend wird es aber, wenn man sich die Bedeutung der Kuh in der Mythologie anschaut. So sollen die Ägypter daran geglaubt haben, es gäbe eine Himmelskuh, die täglich die Sonne gebärt und sie abends wieder in sich aufnimmt. Einigen Geschichten nach gebar die Himmelskuh jeden Morgen den Sonnengott Re, ließ sich am Mittag von ihm begatten, um ihn dann abends komplett in sich aufzunehmen und am nächsten Morgen als aufgehende Sonne wieder zu gebären. Auf ihrem Bauch sollen die Sterne geprangt und so das Himmelszelt dargestellt haben. So konnten die Ägypter auch die Milchstraße erklären, die durch ein Schütteln des Euters der Himmelskuh entstand.

Die Geschichte der Himmelskuh verbindet zwei der hochangesehensten Göttinnen des alten Ägyptens: Hathor und Nut. Die Zwei lassen sich schlecht voneinander trennen und stellen beide in ihrer Weise die Himmelskuh dar. Hathor wurde oft als Frau mit Kuhhörnern abgebildet, in deren Mitte die Sonnenscheibe schwebt, Nut wird meistens als Kuh dargestellt, die mit allen Vieren auf der Erde steht, wobei der Kopf nach Westen zeigt. Nut ist wohl eher die Göttin des Himmels, während Hathor als Urmutter des Kosmos verehrt wurde. Die Bedeutung der Kühe reichte bis in das Totenreich: so sollen die Kühe den Toten auch beim Aufstieg in den Himmel geholfen haben und die Menschen glaubten, dass auch im Reich der Toten Kühe als Nahrungsspender lebten.

Und immer, wenn ich des Nachts in den Himmel schaue und die Milchstraße sehe, werde ich jetzt an die alten Ägypter und ihre Himmelskuh denken.

 

Autorin: Leonie Urbaschik