Ketose
Ketose ist eine Stoffwechselkrankheit, die nach dem Kalben einer Milchkuh auftritt. Grund dafür ist eine negative Energiebilanz (NEB) durch z.B. verminderte Futteraufnahme oder eingeschränkte Leberfunktion.
Die Inzidenz für subklinische Ketose liegt zwischen 40-60% der Herden, bei klinischer Ketose liegt die Inzidenz zwischen 2-15% (Gordon et al.,2013; McArt et al., 2012).
Ursachen von Ketose
Im Pansen einer Kuh werden ca. 80 % der leichtverdaulichen Kohlenhydrate (u.a. Glukose und Stärke) zu den drei kurzkettigen Fettsäuren Acetat, Propionat und Butyrat abgebaut. Diese stehen dem Wiederkäuer für die Energieversorgung zur Verfügung. Zur Bildung von 25kg Milch pro Tag werden schon 1,8 kg Glukose pro Tag benötigt. Bei Spitzenleistungen von 55 kg Milch sind es etwa 4 kg Glukose pro Tag (Breves und Lebzien, 2009).
Diesen Glukosebedarf muss die Leber der Kuh über die Gluconeogenese selbst synthetisieren. Daher ist eine einwandfreie Leberfunktion wichtig für eine gesunde und leistungsfähige Kuh.
Vor der Kalbung nimmt eine Kuh weniger Futter auf. Mit der Kalbung setzt die Milchbildung ein, wofür ein hoher Energiebedarf besteht. Dieser kann noch nicht gedeckt werden, da die tägliche Futteraufnahme der Kuh erst verzögert ansteigt. Somit befindet sich hier eine Kuh in einer NEB. Die Kuh muss die fehlende Energie, die nicht über das Futter aufgenommen werden kann, aus den Körperreserven ziehen, also Muskeln und Körperfett abbauen.
Durch den Abbau von Fett kann die Leber Glucose für die Milchbildung produzieren. Bei hoher NEB sind die Stoffwechselprozesse überlastet und als Zwischenprodukt akkumulieren sich Ketonkörper wie Beta-hydroxy-Butyrat (BHB), Aceton und Acetoacetat.
Eine Entlastung dieser Stoffwechselprozesse ist durch den Einsatz von Propionat möglich, welches als Natriumpropionat oder Propylenglykol (PG) gefüttert wird. PG wird im Pansen zu Propionat abgebaut, welches über die Pansenwand aufgenommen wird. Propionat dient der Leber als direkte Vorstufe von Glucose. Durch den Einsatz von Propionat werden die Stoffwechselprozesse (siehe Infobox) entlastet und die Ketose vermindert.
Ein hoher BHB-Gehalt im Blut führt zu Appetitverlust. Daraus folgt eine zusätzliche Verringerung der Futteraufnahme mit einem noch höheren Energiedefizit. Dadurch entstehen noch mehr Ketonkörper. Die Kuh steckt in einem Teufelskreis, aus dem sie ohne Hilfe nicht mehr herauskommt.
Typen von Ketose
Es gibt zwei Typen von Ketose:
Typ 1 ist die „Ketose der Armen“. Das bedeutet, dass die Kühe mit einem normalen Body Condition Score in die Laktation starten (<3,25) aber einen hohen Energiebedarf auf Grund hoher Milchleistung haben. Dabei entstehen viele Ketonkörper. Die Leber ist zum Zeitpunkt der Kalbung nicht verfettet.
Typ 2 ist die „Ketose der Reichen“. Die Kühe sind deutlich überkonditioniert zum Zeitpunkt der Kalbung, dementsprechend verfettet ist die Leber und die Leberfunktion ist eingeschränkt. Folglich ist die Gluconeogenese gehemmt und es kommt zum Anfluten der Ketonkörper.
Diagnosemöglichkeiten
Um eine Ketose festzustellen, wird der Ketonkörper-Gehalt im Blut, in der Milch oder im Urin der Kuh gemessen.
Die Messung über das Blut ist der Gold-Standard und erfolgt am einfachsten über die Schwanzvene der Kuh. Mittels eines Testgeräte kann der BHB-Gehalt im Blut ermittelt werden. Ein BHB-Gehalt von über 1,2 mmol/l lässt auf eine subklinische Ketose schließen. BHB-Gehalte über 3,0 mmol/l sind Zeichen für eine klinische Ketose, wobei die Übergänge fließend sind.
Um eine Ketose über die Milch festzustellen, werden Teststreifen eingesetzt, die je nach BHB-Gehalt verschieden ausschlagen. Anhand der Farbskala ist der jeweilige Zustand abzulesen. Die Beurteilung der Farbskala ist jedoch subjektiv und ist somit ungenauer, als die Diagnose über das Blut. Außerdem kann der Gehalt an BHB auf Grund hoher Buttersäuregehalte in der Silage erhöht sein, was die Messung verfälscht.
Die Messung von der Ketonkörper-Konzentration im Urin kann ebenfalls über Teststreifenerfolgen, was ähnliche Probleme mit sich bringt. Zudem gestaltet sich die Probenahme schwieriger.
Ketose und Folgeerkrankungen
Ketose führt zu zahlreichen Folgeerkrankungen: Labmagenverlagerung, Mastitis, Metritis, Entzündungsreaktionen und Fruchtbarkeitsproblemen.
Vor allem Labmagenverlagerungen treten als Folge einer Ketose auf. Nach der Kalbung ist der Pansen noch nicht in ursprünglicher Größe, da das Kalb vermehrt Platz einnahm. Wenn die Kuh nach der Kalbung nicht ausreichend frisst und auf Grund der Ketose weniger Appetit hat, ist der Pansen nicht voll gefüllt. Somit kommt es öfter zu einer linksseitigen Labmagenverlagerung. Ist die Leberfunktion zudem noch eingeschränkt, bilden sich vermehrt Endotoxine, die die Labmagenentleerung einschränken. Es kann zum Aufgasen des Labmagens kommen, was dann zur Verlagerung führt.
Zu Beginn einer Laktation leiden Kühe häufig an Entzündungsreaktionen. Die Gründe dafür sind vielfältig, so werden zum Beispiel sozialer Stress, verschleppte Mastitiden der letzten Laktation oder Azidosen aufgrund zu saurer oder stärkelastiger Ration aufgeführt. Diese Entzündungsreaktion kann durch den Fettabbau, gestärkt werden. Diese systemische Entzündungsreaktion wirkt sich auf die komplette Kuh aus (Ortega und Fernández-Real, 2017).
Des Weiteren führt Stress, ausgelöst durch eine Entzündung, zur Entstehung einer Fettleber und mindert die Leberfunktion.
Prophylaxemöglichkeiten
- Einwandfreies, hochwertiges Grundfutter
- Einstellung der Körperkondition vor dem Trockenstellen, um (Leber-)Verfettung zu vermeiden
- Füttern von Propylenglykol nach der Kalbung um den Energiestoffwechsel zu entlasten
- Gabe von Propionat, nach der Kalbung um Energiestoffwechsel zu unterstützen
- Einsatz von Hefen zur Steigerung von Propionat bei der Pansenfermentation
- Wirkstoffe zur Unterstützung der Leberfunktion wie zu Beispiel L-Carnitin, Methionin oder Niacin