Atemwegserkrankungen

Atemwegserkrankungen bei Rindern machen einen erheblichen Teil der wirtschaftlichen Verluste auf den Betrieben aus. Sie sind multifaktoriell, lassen sich also nie allein einem Auslöser zuordnen, sondern werde durch mehrere Faktoren begünstigt. Eine der wirtschaftlich bedeutsamsten Atemwegserkrankung  ist die ,,enzootische Rinderpneumonie“ (EBP), auch bekannt als Rinder- oder Kälbergrippe. Die EBP betreffen den unteren Atemtrakt bzw. die Lungen (Pneumonie) oder die oberen Atemwege (Rhinitis, Tracheitis, Bronchitis). Wichtige Erreger, die Atemwegserkrankungen auslösen, sind verschiedene Viren (u.a. BHV-1, BVDV, BRSV), Bakterien (u.a. Mycoplasma bovis, Mannheimia haemolytica) und auch Pilzarten (Aspergillus spp., Mucor spp., Candida spp.).

Atemwegserkrankungen sind in Deutschland vor allem in der Jungviehaufzucht und in der Rindermast bei Jungtieren zu finden. Krankheiten, die adulte Tiere befallen, wie z.B. BHV-1 und MVD/MD sind anzeigepflichtig bzw. meldepflichtig. Deutschland gilt seit Juni 2017 als BHV-1 frei.

Ursachen für Atemwegserkrankungen

Das Vorkommen von Atemwegserkrankungen unterscheidet sich betriebsspezifisch und saisonal stark. Hauptsächlich sind Kälber oder Jungtiere älter als 3 Monate betroffen. In Mast- oder Aufzuchtbetrieben, auf denen Tiere unterschiedlicher Herkunft mit unterschiedlichem Immunstatus zusammentreffen, ist Auftrittshäufigkeit größer.

Die ,,saisonale“ Form tritt vor allem im Herbst und Winter bei Kälbern zwischen 2 Wochen und 3 Monaten auf. Faktoren für das Auftreten sind unter anderem überbelegte Ställe, hohe relative Luftfeuchtigkeit, niedrige Umgebungstemperaturen bzw. große Temperaturschwankungen und schlechte Belüftung.

Als weitere Faktoren sind Stress durch Transport, Absetzen, Gruppenwechsel oder Futterumstellung sowie frühere Infektionen wie z.B. einer Durchfallerkrankung zu nennen. Tiere infizieren sich meist durch Tröpfcheninfektion, also durch Tier-Tier-Kontakt. Deshalb tritt Kälbergrippe oft gruppenweise auf, oft wird der gesamte Stall durchseucht.

Prophylaxemaßnahmen

Die Prophylaxemaßnahmen beginnen bereits bei der Kolostrumversorgung des neugeborenen Kalbes. Das Kalb selbst kommt ohne Immunschutz auf die Welt und benötigt Immunglobuline und andere Wirkstoffe aus der Biestmilch für die Immunabwehr. Zudem müssen die Haltungsbedingungen so sein, dass eine gute Belüftung, gerade während nass-kaltem Wetter im Herbst und Winter sichergestellt ist. Ausreichende Luftzirkulation sollte gegeben sein, jedoch ohne, dass Zugluft entsteht. Schadgase und Feinstaub können die Lunge zusätzlich belasten.

Vor allem in Zeiten einer potentiell erhöhten Infektionsanfälligkeit sollte regelmäßig die Körpertemperatur der Kälber/Jungrinder kontrolliert werden. Das erste Krankheitsanzeichen für eine kommende Atemwegserkrankung ist eine erhöhte Körpertemperatur (>39,5°C). Auch wenn es aufwändig ist, der Anstieg der Körpertemperatur ist meist zu messen, bevor das Kalb andere Symptome zeigt. Wenn das nicht umsetzbar ist, sollten zumindest Tiere, die vermutlich erhöhtem Stress ausgesetzt waren, kontrolliert werden. Darunter fallen beispielsweise Kälber, die gerade abgesetzt oder umgestallt wurden.

Es gibt zudem die Möglichkeit Jungrinder über Tot-Impfstoff ab der zweiten Lebenswoche zu impfen. Bei Bestandsproblemen der Kälbergesundheit durch Atemwegserkrankungen vor dem 8. Lebenstag gibt es die Möglichkeit der Mutterschutz-Impfung . Dafür werden hochtragende Kühe 8 bzw. 4 Wochen vor der Geburt geimpft und produzieren dann Antikörper, die über das Kolostrum auf das Kalb übergehen. So erhalten die Kälber einen passiven Schutz bis sie das impffähige Alter erreichen.

Um die Möglichkeit zu haben, gegen die betriebsindividuellen Erreger vorzugehen, kann ein bestandsspezifischer Impfstoff hergestellt werden.

Therapie

Ist ein Tier erkrankt, sind die Heilungsaussichten besser, je früher die Therapie erfolgt. Wird zu spät behandelt, ist die Lunge  dauerhaft geschädigt, was die Leistungsfähigkeit des Tiers dauerhaft mindert.

Es gibt unterschiedliche phytogene Wirkstoffe, die effizient die Heilung von Atemwegserkrankungen unterstützen. Dazu zählt zum Beispiel Thymian mit seinen wesentlichen ätherischen Ölen Carvacrol und Thymol. Thymol wird eine antimikrobielle, antioxidative und entzündungshemmende Wirkung zugesprochen. Wan et al. (2017) konnte eine Verbesserung der Lungenheilung bei Einsatz von Thymol beobachten. Carvacrol kann ebenfalls nachweislich entzündungshemmend bei Lungenschäden wirken und trägt dazu bei, oxidativen Stress zu mindern (Feng und Jia, 2014; Boskabady und Mahtaj 2015).

Auch Menthol aus der Pfefferminze hat ein großes Potential: Der TRPA1 ist ein Ionenkanal, der unter anderem für Reizungen der Atemwege verantwortlich ist. Beim Einsatz des entzündungshemmenden Steroid Dexamethason ist eine Expression des TRPA1 verringert und die Blockade des TRPA1 senkt die Produktion von Entzündungsmarkern (Luostarinen et al., 2021). Menthol hat eine ähnliche Blockade-Wirkung auf den TRPA1 (Xial et al., 2008; Karashima et al., 2007), wirkt also auch entzündungshemmend.

Bei fortgeschrittenen Atemwegserkrankungen sollte eine Behandlung antibiotische erfolgen, um eine schnelle Abtötung der Bakterien zu gewährleisten. Zusätzlich kein ein nichtsteroidales Antiphlogistika (NSAID) eingesetzt werden, was die Entzündungsreaktion der Lunge lindert, um bleibende Lungenschäden zu behandeln.